KINDERBUCH MAMA MEER

Ausführliche Entstehungsgeschichte vom Kinderbuch "Mama Meer besucht die Menschen"
- Mit Hochs und Tiefs während des ganzen Prozesses

Mein erstes illustriertes Kinderbuch "Mama Meer besucht die Menschen" ist erschienen!
Geschrieben hat die Geschichte Claudia Walder und publiziert wurde es im Baeschlin Verlag.

Unsere erste Begegnung hatten Claudia Walder und ich an einem Design Markt in Winterthur noch vor der Corona-Pandemie. Ihre damalige Frage, ob ich Lust hätte Kinderbücher zu illustrieren, bejahte ich natürlich, dachte danach aber auch nicht weiter darüber nach. Vor ca. 2,5 Jahren erhielt ich dann tatsächlich einen Anruf von Claudia, mit der Anfrage, ob ich immer noch Interesse hätte.

Sie habe mein Online-Portfolio gesehen und sei von diesem Bild zu einer Geschichte inspiriert worden.

Das Manuskript schickte sie mir dann zum Lesen und ich fand die Geschichte und das darin behandelte Thema der Umweltverschmutzung spannend und sehr wichtig. Claudia zeigte dem Baeschlin Verlag ihre Geschichte und schlug mich gleichzeitig als Illustratorin vor. Der Verlag schickte mir etwa später einen Vertragsentwurf. Um ehrlich zu sein, waren die 7 Seiten zuerst etwas überfordernd. Zum Glück konnte ich auf das Wissen einer anderen Illustratorin zurückgreifen und mich gleichzeitig auf die Rechtsabteilung der Gewerkschaft Syndicom verlassen. Im März 2022 war dann alles unter Dach und Fach.

Nun konnte ich loslegen und das Manuskript genauer durchzulesen. Ich stellte mir Fragen, wie zum Beispiel, wo man den Text für die zwölf Doppelseiten am sinnvollsten trennt und bereits während dem Lesen stellte ich Mini-Skizzen her. Diese nennt man Thumbnails, weil sie nicht viel grösser als ein Daumennagel sind und sehr grob erste Ideen oder Layouts festhalten. Hier ein paar Beispiele:

Diese Mini-Skizzen besprach ich dann mit einer befreundeten Illustratorin aus Schweden, Camilla Atteby, um für die Bildabfolge und die Geschichte eine spannende visuelle Sprache zu generieren. Mit Camillas Feedbacks stellte ich die Mini-Skizzen zu einer Abfolge zusammen, um zu sehen, wie mit dem Umblättern der Seite der Lesefluss war. Die Frage ist immer: Wie kann man die lesende Person überraschen und auf eine interessante Bildreise mitnehmen.

Eine meiner Lieblingsseiten ist diejenige mit dem grossen Schiff, weil hier mit der Perspektive von unten die plötzliche Bedrohung, welche Mama Meer erfährt, spürbar wird. Und mit der leicht schrägen Horizontlinie wird ihre aus den Fugen geratene Welt noch weiter unterstrichen.

Gleichzeitig kommen Überlegungen dazu, was die Hauptfigur für eine Person ist. Was für Charakterzüge hat sie, was ist prägend in ihrem Leben. Dann auch die Fragen, in was für einer Jahreszeit oder zu welcher Tageszeit die Geschichte spielen könnte. Welche Schauplätze kommen im Text vor, welche Figuren spielen eine tragende Rolle, wer sind mögliche Nebenfiguren. In dieser Phase wird viel geschrieben und dann teilweise mit schnellen einfachen Skizzen kombiniert.

Danach kommt die tiefere Recherche. In meinem Fall war das die Frage, wie sieht es in der Tiefsee aus, was für Tiere und Pflanzen kommen vor. Dazu habe ich mir viele Dokumentationen angeschaut und davon jeweils Screenshots gemacht und skizziert.

Weiter sind Nachforschungen zu möglichen Schauplätzen notwendig, um den Bildern mehr Tiefe zu verleihen. Nach dieser Phase kamen die ersten genaueren Skizzen, welche ich dann auch zu einem späteren Zeitpunkt dem Verlag sandte.
Nach ein paar kleineren Änderungswünschen kam das OK und ich konnte weiter arbeiten.

Nun ging es darum, die Bilder detaillierter auszuarbeiten und verschiedene Farbkonzepte zu überlegen.

Weiter wollte ich die Körperhaltungen und Positionen mit Hilfe von Referenzbildern richtig hinbekommen. Dazu musste ich oft über meinen Schatten springen und selbst Model stehen.

Die Skizzen wurden detaillierter und durch das Einbauen von vielen kleinen Details reichhaltiger. Die Farben wurden später flächig gemalt. In einem weiteren Schritt kamen Texturen hinzu und ganz am Schluss bekam alles mit Licht und Schatten nochmals eine weitere Dimension.

Das Ausarbeiten und Colorieren hat mit Abstand am meisten Zeit in Anspruch genommen. So viel Zeit, dass der Abgabetermin immer näher rückte und ich, obwohl ich auch an jedem Wochenende jeweils samstags und sonntags über mehrere Wochen im Atelier gezeichnet hatte, einsehen musste, das ich es nicht rechtzeitig schaffen würde.

Zwei Wochen vor dem Abgabetermin im September rief ich den Verlag an und fragte, ob ich die Illustrationen 3 Wochen später abgeben könnte.
Sie stimmten zu, mit der Bitte, dass ich das Cover schon früher abgeben könne, da sie dieses für die Vorschau im Katalog benötigten.

Nach dem Telefonat hätte ich überglücklich sein müssen, aber stattdessen war dies für mich der absolute Tiefpunkt. Ich kam mir vor wie eine totale Versagerin. Es war das erste Mal, dass ich einen Abgabetermin nicht einhalten konnte. Und auch wenn das Verschieben von Terminen oder Verzögerungen im Geschäftsleben vielleicht nichts Ungewöhnliches sind, war dies doch etwas Neues für mich.

Nachdem mich mein Mann und Freund*innen wieder etwas aufgemuntert und aus meinem Tief rausgeholfen hatten, ging es wieder weiter. An dieser Stelle ein grosses "Merci", wenn Du Dich angesprochen fühlst und mir in dieser Zeit geholfen hast. ;-)
Rückblickend war das für mich auch eine gute Lehrstunde. Einerseits zu wissen, dass man fast immer eine Verlängerung erfragen kann und nichts Schlimmes passiert und andererseits auch zu erfahren, dass es in länger dauernden Projekten fast immer einen Tiefpunkt geben kann und es von da auch wieder aufwärts geht.

Die Titelseite stellte ich dann als Erstes fertig und sandte sie dem Verlag.
Es kamen noch ein paar kleinere Korrekturen und dann war das Cover von meiner Seite her fertig. Die ebenfalls illustrierte Buchrückseite wurde nicht verwendet und durch eine Illustration aus dem Inhalt ersetzt.

Zwei Wochen später gab ich alle Illustrationen ab. Es gab keine Änderungswünsche von Verlagsseite, dafür eine nette E‑Mail mit einem grossen Dankeschön und dem Feedback, dass die Bilder wunderschön geworden seien.

Dann waren nur noch die Vor- und Endsatzpapiere zu zeichnen. Für diese hatte ich mir überlegt, die Tiefseewelt mit ihren Lebewesen und Pflanzen genauer abzubilden. Solche beschrifteten Zeichnungen fand ich selber als Kind in Büchern immer sehr spannend.

Wenn du bis hierhin gelesen hast, Merci vielmals!
Als kleines Dankeschön verrate ich Dir noch ein paar Details, die man so vielleicht auf den ersten Blick nicht sieht und Gedanken, die ich mir zu den Bildern gemacht habe:

Da sind einerseits die Krabbe und der Oktopus, welche beide Mama Meer auf ihrem Abenteuer begleiten und teilweise etwas versteckt abgebildet sind.
Der Gelbe Regenmantel den Mama Meer benutzt um sich zu verkleiden ist bereits auf der Promenaden Szene beim Fischer im Hintergrund zu sehen. Hättest du ihn entdeckt?
Das Halsband vom Hund auf der Promenade stellt die Regenbogenflagge dar und ist eine Hommage an die LGBTQAI+ Bewegung.
Im Spielzeugladen staunt Mama Meer über die vielen Spielzeuge und ihr Blick geht zu den Beinen der Marionette. Da habe ich mir überlegt, das es sie vielleicht interessiert wie es wäre, selber Beine zu haben.

Auf der letzten Seite macht die Krabbe Bekanntschaft mit einem klitzekleinen Lebewesen und auf der Doppelseite, in der Mama Meer entdeckt wird, ist die Zuschauermenge möglichst divers dargestellt. Dieses Thema ist bei mir in den letzten Jahren immer wichtiger geworden und ich finde die Darstellung von Vielfalt enorm wichtig, damit sich möglichst viele Personen und vor allem Kinder repräsentiert fühlen.

Und zu guter Letzt: Da mir Camilla Atteby beim ganzen Prozess eine unglaubliche Stütze war, wollte ich ihr gerne auf eine besondere Art Danke sagen. Ausgehend aus Fotos habe ich ihren Hund Darwin, der im letzen Jahr altersbedingt verstorben ist, auf einer Buchseite illustriert. Wie mir Camilla geschrieben hat, ist es für sie und ihre Familie ein sehr schöner Gedanke, das ihr geliebter Hund auf diese Art im Kinderbuch verewigt ist.

Ich hoffe, ich konnte Dir einen Einblick in die Entstehung von "Mama Meer besucht die Menschen" geben und freue mich, wenn es Dir gefallen hat. Wenn du das Buch gerne für dich selber oder ein Kind kaufen möchtest, dann kannst du das sehr gerne hier machen.

Hast du noch offene Fragen? Dann schreibe mir doch. Ich freue mich immer über Rückmeldungen und den Austausch.

Krabbe

Danke vielmals für Dein Interesse und herzliche Grüsse
Tanja